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Erfolgreiches politisches Campaigning zur Energiewende

Geschrieben von Felix Adank | 31. Mai 2017 | 15:15
Am 21. Mai 2017 haben Schweizerinnen und Schweizer dem neuen Energiegesetz zugestimmt. Es steht im Zeichen der Energiestrategie 2050 und beinhaltet ein erstes Massnahmenpaket, das den Energieverbrauch senken, die Energieeffizienz erhöhen und erneuerbare Energien fördern soll. Der Bau neuer Kernkraftwerke ist mit dem Volksentscheid nicht mehr möglich. Weshalb hatte das politische Campaigning zur Energiewende letztlich Erfolg? Eine Analyse.


Trotz klarer Parlamentsmehrheit, trotz überwiegender Ja-Empfehlung von Wirtschaft, Verbänden und Parteien, trotz engagierten Auftritten von Energieministerin Doris Leuthard hatte es die Vorlage zur Energiewende erstaunlich schwer: Die letzte Umfrage vor den Wahlen zeigte eine bis zuletzt bröckelnde Zustimmung: In einer ersten Befragung gaben 61% der Befragten an, Ja oder eher Ja zu stimmen, 30% wollten ein Nein in die Urne legen. Am 10. Mai lag das Verhältnis von Ja- zu Nein-Absichten noch bei 56% zu 37%. Die Abstimmung vom 21. Mai ergab schliesslich eine Zustimmung von 58,2%. Wie war es möglich, dass eine pragmatische, politisch breit getragene Vorlage plötzlich zu scheitern drohte?

Widerstrebende Interessen

Die Interessenlage der politischen Parteien war klar: Die SVP hatte das Referendum gegen das Energiegesetz ergriffen und malte in der Abstimmungskampagne das Schreckensszenario des Kaltduschens, sprich: unsicherer Energieversorgung, an die Wand. Die FDP war tief gespalten, wie die knappe Zustimmung der FDP-Delegierten zur Ja-Parole zeigte (175 zu 163 Stimmen). Alle anderen Parteien standen klar hinter dem revidierten Energiegesetz. Die Wirtschaft war sich uneins, weshalb der Dachverband Economiesuisse auf eine Abstimmungsempfehlung verzichte-te. Einzelne Branchenverbände engagierten sich für ein Nein, besonders die Maschinen- und Pharmaindustrie: Sie warnten vor Versorgungslücken und höheren Energiekosten. Die Clean-techbranche, der Schweizerische Gewerbeverband und sogar der Bauernverband empfahlen hingegen ein Ja. Auch der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) unterstützte die Vorlage, nicht zuletzt, weil die grossen Stromkonzerne auf Stützmassnahmen für die Wasser-kraft hoffen, die wegen der tiefen Preise auf dem europäischen Strommarkt nicht mehr rentabel ist.

Keine verbindlichen Ziele

Das neue Energiegesetz sieht keine verbindlichen Ziele vor: Zwar soll der Gesamtenergieverbrauch pro Person bis 2035 um 43% sinken, der Stromverbrauch um 13 %. Das sind zum Einen nur unverbindliche Richtwerte ohne verbindliche Massnahmen, zudem sagen sie nichts über den Gesamtenergieverbrauch aus: Tatsächlich ist der Strom- und Energieverbrauch in den vergangenen Jahren in etwa konstant geblieben. Dies weil der Mehrverbrauch, bedingt durch Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, dank technischer Effizienzfortschritte aufgefangen werden konnte. Wenn die Schweiz ihre Klimaziele erreichen will, muss sie besonders bei den fossilen Brennstoffen bis 2030 ihre CO2-Emissionen halbieren. Experten sind skeptisch, ob dieses ehrgeizige Ziel im Verkehrsbereich zu erreichen ist. Obwohl das neue Energiegesetz weder der Industrie noch den Privathaushalten schmerzhafte Eingriffe abverlangt, ist es von Teilen der Politik und Wirtschaft vehement und mit beträchtlichen finanziellen Mitteln bekämpft worden.

Geld bleibt hier

Die Plakate des Nein-Komitees waren jenen der Linken gegen die Unternehmenssteuerreform III zum Verwechseln ähnlich («Der wahre Bschiss am Mittelstand»), was ihm Plagiatsvorwürfe eintrug. Die zum Teil drastischen Übertreibungen von hohen Kosten und Mangelwirtschaft wirkten wenig glaubwürdig und verfingen nicht: Am Abstimmungswochenende sagte eine deutliche Mehrheit von Volk und Ständen Ja zur Energiewende. Der Schweizer Bevölkerung war wichtiger, dass ein Grossteil unserer Mittel in einheimische, erneuerbare Energien fliesst. Der Verzicht auf Kernkraft erwies sich als mehrheitsfähig. Am deutlichsten war das Volks-Ja in den grossen Städten und Agglomerationen, so stimmte Genf dem Energiegesetz mit 72,5% Ja-Stimmen zu. Aber auch die Landkantone votierten teilweise deutlich dafür, darunter die Wasserkraftkantone Wallis, Graubünden, Tessin und Uri.

7 zentrale Erfolgsfaktoren

Welches waren die zentralen Erfolgsfaktoren für das politische Campaigning zur Energiewende?

  1. Eine glaubwürdige und beim Volk beliebte Bundesrätin – Energieministerin Doris Leuthard war eine meinungsbildende Influencerin, welche die Haltung der Bevölkerung entscheidend beeinflusste.
  2. Eine konsens- und mehrheitsfähige Vorlage, getragen nicht nur vom Bundesrat, sondern auch von einem parteipolitisch breiten Bündnis, das sowohl linksgrüne wie bürgerliche Kräfte umfasste. Der vorgängige, proaktive Mediationsprozess ermöglichte es, Kompromisse frühzeitig auszuhandeln und vor der Öffentlichkeit geschlossen aufzutreten.
  3. Eine Vorlage, die verschiedensten Interessen diente – was dazu führte, dass sogar der Schweizerische Gewerbeverband die Ja-Parole beschloss. In politischen Prozessen war es entscheidend, wichtige Akteure einzubinden und im Campaigning anzusprechen.
  4. Ein pragmatisches Gesetz, das auf eine gesellschaftliche Herausforderung antwortet: Der nachhaltige Umbau unserer Energieversorgung, die künftig effizient, erneuerbar und soweit möglich mit einheimischen Ressourcen gespiesen werden soll. Die Zukunft gehört Energiestadt- und Smart City-Projekten, um die verabschiedeten Energieziele zu erreichen.
  5. Ein politisches Campaigning zur Energiewende mit klaren Kernbotschaften, die verständnlichh vermittelt wurden («Geld und Arbeit bleiben hier», «Für die Berggebiete: Wasserkraft stärken»).
  6. Wiedererkennbarkeit der Kampagne durch gezieltes Branding und Design sowie Fokussierung auf einprägsame, gestalterische Elemente wie Slogan («Energiestrategie JA»), Bildwelt (Schweiz mit Fünflibern und symbolhaftem «Wilhelm Tell-Sujet») und nationalen/kantonalen Komitees mmit prominenten Exponentinnen und Exponenten aus Politik und Verbänden.
  7. Der gezielte Einsatz von Social Media und die Nutzung sozialer Netzwerke, die bereits in früheren Abstimmungen erfolgreich eingesetzt worden waren.

 

 

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