Als Stefan Grötzinger vor drei Jahren seine Arbeit als Wiler Energiebeauftragten antrat, war «Energie» ein Thema, mit dem sich die meisten erst dann beschäftigten, wenn die Stromrechnung ins Haus flatterte. Dies hat sich nachhaltig geändert – auch dank des Labels «Spiel Energie».
Das Schweizer Stimmvolk hat bei der Abstimmung vom 21. Mai 2017 die Energiestrategie 2050 mit 53% Ja-Stimmen gutgeheissen. Das Energiegesetz tritt bereits Anfang 2018 in Kraft. Auch die Gemeinden haben einen klaren Auftrag; den Energieverbrauch senken, Energieeffizienz erhöhen und erneuerbare Energien wie Wasser, Sonne, Wind, Geothermie und Biomasse fördern. Was in der Theorie klar umrissen ist, muss in der Praxis umgesetzt werden – hier liegt die Herausforderung.
Grosses Sparpotenzial gibt es bei Gebäuden. Und es gibt mehr Geld, um dieses Potenzial besser auszuschöpfen: Der Bund hat die Beiträge für das Gebäudeprogramm von 300 Millionen auf 450 erhöht und hilft mit Knowhow in Form von technische Empfehlungen.
Kurz: Ist das Gebäude schlecht isoliert? Soll die alte Ölheizung durch eine energiesparende Wärmepumpe ausgetauscht worden? Ein Ja auf diese Fragen gibt den Hauseigentümern Grund zur Freude: Sie senken den Energieverbrauch und sparen Kosten. Und sie können gegenüber dem Bund ihren Anspruch auf Unterstützung geltend machen und werden für ihre Investition belohnt. Bei Sanierungen kommen Steuerabzüge dazu. Solche Massnahmen werden bei Liegenschaften in Gemeindebesitz rasch eingeleitet, sagen Bauverwalter und Energieverantwortliche einstimmig. Doch wie steht es mit der Bevölkerung, mit den privaten Hauseigentümern? Dort harzt es. Beginnt ein Tauziehen zwischen Gemeindebehörden und Hauseigentümern, im Worst-Case-Szenario schlägt der Hausbesitzer der Gemeinde gar die Tür vor der Nase zu. Die Folge: Stillstand.
Kern- und Ausgangspunkt ist also ein erfolgreicher Dialog, damit die Tür möglichst weit offensteht. Aber wie funktioniert zielführende Kommunikation und Campaigning für die Energiewende, damit Botschaften ankommen und verankert bleiben?
Damit Überzeugungsarbeit nachhaltig ist, muss man beim «Miteinander reden» und nicht «Überreden» ansetzen, beim Appell an ein gemeinsames Handeln. Denn das Engagement für gemeinsame Energieziele motiviert Menschen, sich persönlich und auch finanziell zu engagieren. Das Beispiel der Energiestadt Wil zeigt, wie die Bevölkerung erfolgreich in Kampagnen einbezogen und partizipativ involviert werden kann.
Nächstes Jahr feiert die rund 24'000 Einwohner zählende Stadt im Kanton St. Gallen ihr 20-Jahr-Jubiläum als Energiestadt. Das langjährige Engagement spiegelt sich in der hohen Lebensqualität des Orts: auf der einen Seite einladende Grünflächen und Naherholungszonen, ja sogar ein Sportplatz nach Minergie-Standards; auf der anderen Seite verfügt Wil über ein effizientes öffentliches Verkehrssystem, das im 15-Minuten-Takt die Menschen von A nach B befördert. Das Auto kann man getrost zuhause lassen. Zu den zahlreichen institutionalisierten Initiativen gehören auch drei grössere Photovoltaik-Anlagen und eine lokale Energieberatung . Kurz: Die Gemeinde nimmt ihre Vorbildfunktion wahr und sorgt für eine energieeffiziente Infrastruktur.
Ein aktives Engagement der Bevölkerung erreichte Wil mit kreativen Ideen statt Bevormundung. Der Wiler Energiebeauftragte Stefan Grötzinger hat es verstanden, die Menschen für die Energieziele zu motivieren und ihnen positive Erlebnisse – sogar Spiel und Spass – zu vermitteln. Seine Initiative «Spiel Energie», die zusammen mit den Technischen Betrieben Wil und lokalen Schulen entstanden ist, wurde 2016 vom Bundesamt für Energie zum «Schweizer Leuchtturmprojekt» gekürt (siehe auch Titelbild: Natalie Milsom und ihre Klasse bekamen ein Dankes-Ständchen des Schweizer Rappers und Moderators Knackeboul). In Rahmen eines umfassenden Aktionsplans mobilisierte er etwa Kinder und Jugendliche, welche «Energie-Versprechen» von der Lokalprominenz einholten. Am Wiler Spielfest, einem seit 25 Jahren verankerten und jährlich wiederkehrenden Event, konnten die Besucherinnen und Besucher die Resultate der Sammelaktion begutachten und sich für das eigene energiesparende Handeln inspirieren lassen. Erweckten die Kinder und die prominenten Influencer zunächst die Neugier der Erwachsenen, bot die Aktion auch lokalen Cleantech-Unternehmen <eine Plattform. Als Anreiz verschenkte die Stadt attraktive Solarmobil-Bausets, zudem bot eine lokale Photovoltaik-Firma kostenlose Beratungen an.
Das Fazit für Gemeinden, welche die Energiewende mit publikumswirksamen Aktionen voranbringen wollen:
|
Die Erfolgsfaktoren des prämierten Projekts «Spiel Energie» gibt Stefan Grötzinger an der Fachtagung «Kommunale Energiestrategien» vom 19. Oktober in Bern preis. Er referiert als Fachexperte zum Thema «Erfolgreiche Energiestadt-Kommunikation». |
Bildquelle Titelbild: Stadt Wiil