Die Kommunikations- und Brandingagentur consign publiziert bereits zum dritten Mal seit 2018 ihr Social-Media-Ranking der 10 erfolgreichsten Schweizer Nonprofitorganisationen mit den meisten «Followern/Gefällt mir»-Angaben auf den betriebenen Kanälen. Bei Social-Media-Plattformen in verschiedenen Schweizer Landessprachen sind die jeweiligen Nutzerzahlen konsolidiert. Der WWF ist weiterhin unangefochtener Leader und zusammen mit Amnesty International und dem SRK die einzige NPO, die in allen drei Schweizer Landessprachen auf Facebook und auf Twitter präsent ist. Greenpeace Schweiz bleibt dem WWF hart auf den Fersen. Terre des hommes (Tdh) behauptet den 3. Platz aus dem Vorjahr – das Kinderhilfswerk betreibt seine Kanäle in verschiedenen Sprachen: «Auf Facebook ist unsere Hauptzielgruppe das Schweizer Publikum, darum posten wir auf Französisch, Deutsch und Englisch, entweder mit der «Multiple languages»-Funktion oder nach Sprache gezielt, so Tdh-Kommunikationsverantwortliche Isabel Zbinden.
Rolle und Bedeutung von Social Media für Schweizer NPO
Gemäss dem deutschen Online-Portal Statista surfen 88 Prozent der Schweizer Bevölkerung regelmässig im Internet, 57 Prozent nutzen dabei auch Social Media. Facebook ist mit einem Anteil von knapp 63 Prozent aller Seitenaufrufe die meistgenutzte Social Media-Plattform, obwohl die Nutzerzahlen seit 2017 rückläufig sind. Auf Platz zwei und drei der meistgenutzten Kanäle folgen Twitter und Instagram. Jüngere Nutzerinnen und Nutzer setzen vermehrt auf Plattformen wie WhatsApp, Snapchat oder TikTok. Angesichts eines Potenzials von über drei Millionen Schweizer Haushalten, die mit Internet und Social Media erreicht werden können, versteht sich die Bedeutung der Online-Kommunikation für Verbände und NPO von selbst.
Es ist deshalb nicht überraschend, dass Social Media von den führenden Schweizer NPO inzwischen professionell genutzt und strategisch geplant werden. Wichtig sind dabei Brand Awareness und Kommunikation, in zweiter Linie die Rekrutierung von Freiwilligen, Event-Promotion und die Unterstützung von Fundraising-Aktivitäten.
Obwohl Facebook bei Schweizer NPO ethische Fragen aufwirft, bleibt der Kanal ein wichtiger Treiber für das Generieren von Engagements auf den jeweiligen Websites. Mit Facebook Ads lassen sich Mitglieder sowie Spenderinnen und Spender rekrutieren, die noch nicht zur eingeschworenen Community gehören. Twitter nutzen vor allem kampagnenorientierte NPO, die Lobbying betreiben und auf diesem Kanal Entscheidungsträger, weltanschaulich motivierte Menschen sowie Medienschaffende ansprechen wollen. An dritter Stelle folgt die Foto- und Videoplattform Instagram, die sich besonders gut für emotionale Botschaften eignet.
Die Anzahl Fans und Followers von NPO sind auf einem soliden Niveau stabil bzw. leicht steigend, wie unser aktuelles Ranking zeigt:
Schweizer NPO: Social-Media-Ranking 2020
Die Zusammensetzung und Reihenfolge der Topten-NPO hat sich gegenüber dem Vorjahr nicht entscheidend verändert. Auffallend ist der Aufstieg von Ärzte ohne Grenzen auf Platz 4 und der Stiftung Theodora auf Platz 7 des Rankings. Diese Organisationen waren in den Vorjahren noch ausserhalb der 10 reichweitenstärksten NPO – und haben offenbar vieles richtig gemacht, um mehr Follower und Fans auf Social Media zu gewinnen. Knapp ausserhalb der ersten zehn Plätze bleiben die Stiftung Pro Juventute, die sich für Kinder und Jugendliche engagiert, sowie Swissaid.
Der nach wie vor am meisten genutzte Kanal ist Facebook. Bei Twitter ist das Engagement der NPO sehr unterschiedlich, während Instagram als Kanal zwar an Bedeutung gewinnt, insgesamt aber immer noch ein Schattendasein fristet. Das ist erstaunlich, denn Instagram wird nicht zufällig durch Anbieter von Reisen, Konsumgütern und Dienstleistern im Segment Fitness/Ernährung genutzt, um ein jüngeres, tendenziell weibliches Publikum anzusprechen: Als Wohlfühloase eignet sich der Kanal bestens für positiv besetzte Botschaften und Kampagnen mit Charity-Charakter. Immerhin: WWF und Greenpeace haben ihre Followerzahlen auf diesem Kanal gegenüber dem Vorjahr kräftig steigern können, was für eine erhöhte Priorisierung spricht. Christian Engeli von Public Eye erwartet, dass Instagram mittelfristig mindestens gleich wichtig wird wie Facebook. Was gleich bleibt gegenüber dem Vorjahr: NPO und Verbände sind weiterhin gefordert, ihre Reichweite zu steigern, damit sie die Anzahl Interaktionen und Conversions auf ihren Online-Plattformen steigern können.
Das Ziel: eine engagierte Community
Weil Followerzahlen nicht die ganze Wahrheit zeigen, haben wir das Ranking dieses Jahr mit einer qualitativen Befragung ergänzt. Wir stellten den führenden Schweizer NPO folgende Fragen:
- Wie ordnet ihr diese Zahlen ein?
- Was sind für euch wichtige Erfolgskriterien neben der Anzahl Follower/Likes?
- Wie gut funktioniert Facebook noch – in welche anderen Netzwerke investiert ihr?
- Welche Rolle spielen Social Media in eurer strategischen Kommunikation?
- Ist TikTok für eure Organisation interessant? Warum? Plant ihr den Einstieg?
Klar ist, dass Schweizer Nonprofit-Organisationen eine aktive und engagierte Community anstreben, um ihre Ziele zu erreichen. Die Anzahl Follower und Likes ist dafür nur bedingt massgebend, trotzdem sagt Nadja von Burg von WWF Schweiz: «Followerzahlen sind nicht unwichtig, vor allem auf Instagram und Linkedin, da wir in diesen Kanälen viel Potenzial für uns sehen und noch am Aufbau einer Community sind.» Christian Engeli von Public Eye sieht auch eine Wechselwirkung: «Wir haben bei Instagram mehr in die Erstellung von Content investiert – entsprechend erwarten wir ein Wachstum bei der Followerzahl.» Einig sind sich alle befragten NPO, dass die Reichweite der Posts und die Qualität der Interaktionen entscheidend sind für den Erfolg der Social-Media-Aktivitäten. Wichtig sind ein lebendiger Austausch mit der Community, bei Spendenaktionen die Klicks auf entsprechend eingerichtete Online-Portale. Sonja Gambon vom Schweizerischen Roten Kreuz SRK sagt stellvertretend für viele: «Wir zielen einerseits auf Impressions, aber auch auf eine gute Engagement/Interaktions-Rate – der Austausch mit der Community ist uns sehr wichtig. (...) Daher versuchen wir, den Content für die Zielgruppe relevant und interessant zu gestalten und unsere Arbeit bestmöglich zu kommunizieren.» Eliane Beerhalter von Swissaid (Platz 12) meint dazu: «Auf Facebook stagniert die Anzahl der Likes für unsere Seite, doch für uns ist die Interaktionsrate wichtiger, und die ist immer noch gut.» Auch für Isabel Zbinden von Terre des hommes sind Interaktionen wichtig: «Für uns sind qualitative Fragen wichtig: Wie reagiert unser Zielpublikum? Was kommentieren sie?»
Für Hina Strüver von Greenpeace Schweiz ist neben der Positionierung und dem Engagement auf Social Media ein wichtiges Ziel, «die Menschen auf unseren eigenen Kanälen (sprich Webseite) zu engagieren ... Damit gewinnt die Post-Link-Klick-Zahl an Bedeutung sowie auf unserer Webseite die eigentliche Handlung, die Conversion.» Public Eye sieht in den Social-Media-Kanälen auch eine eigenständige Bedeutung. Dazu Christian Engeli: «Früher diente Social Media vor allem dazu, Inhalte unserer Webseite zu bewerben. Heute überlegen wir uns immer häufiger, wie wir die Erkenntnisse aus unseren Recherchen direkt auf Social Media verbreiten können, und erstellen entsprechenden Content.» Verena Herger von der Stiftung Theodora sieht einen zusätzlichen Nutzen in «Interaktionen und Kommentaren, die wir als Testimonials auch in der schriftlichen Kommunikation verwenden können.» Eva Ermatinger von Ärzte ohne Grenzen Schweiz verweist auf einen anderen wichtigen Aspekt: «In unseren Einsatzländern spielt die Gesundheitsaufklärung und Präventionsarbeit über Social Media eine wichtige Rolle. In der Schweiz ist der Umgang mit Falschnachrichten im Zusammenhang mit Covid-19 ein Thema, der in sozialen Medien an Bedeutung gewinnt.»
Paid Posts werden zum Standard
Die bezahlte Bewerbung von Beiträgen (paid Posts) ist inzwischen zum Standard geworden, um eine grössere Reichweite und mehr Interaktionen zu erzielen. Die organische Reichweite lässt sich selbst mit interessanten Inhalten, Bildern oder Videos nicht mehr wesentlich steigern. Simone Schmid von Save the Children Schweiz sagt dazu: «Eine grosse Reichweite zu erzielen, ist mit dem heutigen Algorithmus eine grosse Herausforderung geworden.» Hina Strüver unterstreicht diese Einschätzung: «Ohne Ads geht bei einer grossen Followerzahl nichts mehr. Das ist einer der Gründe, warum wir die Romandie in einem eigenen Account bespielen. Facebook spielt unsere Posts im Algorithmus auf einem kleineren Kanal besser aus, das Engagement wird dadurch erhöht.» Auch Lukas Krebs von Pro Juventute unterstreicht: «Es ist schwierig, auf Facebook organisch etwas zu erreichen. Trotzdem ist Facebook immer noch unser wichtigster Social-Media-Kanal, vor allem halt im Paid-Bereich. Ansonsten ist für uns Instagram aktuell sehr wichtig. Das grösste Wachstum haben wir derzeit auf LinkedIn.»
Für Eliane Beerhalter von Swissaid liegt die Lösung in der sinnvollen Verknüpfung von Facebook und Instagram: «Für die Verbreitung der Inhalte funktioniert Facebook immer noch gut, auch wenn die organische Reichweite massiv eingebüsst hat. Mit gezielter Bewerbung und Ausspielung der Beiträge auf Instagram lohnt sich der Einsatz aber sicher noch. Auf Instagram setzen wir zudem mehr auf Stories – welche wir dann wiederum auf Facebook ausspielen können. Twitter setzen wir mehr für unsere politischen Anliegen ein, und da funktioniert unser Netzwerk gut.»
Vertiefte Insights
Professionell agierende Schweizer NPO setzen zunehmend auf Instrumente, die vertiefte Insights ermöglichen. So ist für Greenpeace Schweiz das gewichtete Engagement Score (zusammengesetzt aus reactions, comments und shares) besonders wichtig: «Zum einen, um von Facebook ein gutes Rating zu bekommen und so die organische Reichweite unserer Posts zu erhöhen», so Hina Strüver; «wir sehen zum andern auch, wie stark ein Thema bei den Usern anspringt und können in einen direkten Austausch und Folgemassnahmen einsteigen.»
Andreas Christen von Amnesty International nennt folgende Erfolgskriterien: «1. Reichweite mit Ziel Awareness (z.B. mit Videocontent); 2. Interaktionen mit dem Ziel Awareness (Verbreitung von Inhalten und Verstärkung von bewussten Handlungen, zum Beispiel das Teilen von Posts) und 3. Website-Traffic mit den Zielen Mobilisierung, Gewinnung von Leads und Fundraising.»
Fehlende Ressourcen für neue Kanäle
Neue Kanäle zu bespielen ist für Schweizer NPO vor allem eine Frage der Ressourcen. Einzelne nutzen YouTube, WhatsApp und Snapchat, um ein jüngeres Publikum zu erreichen. TikTok ist für viele noch weit weg, bei einigen NPO immerhin in einer Evaluationsphase. Der WWF ist die erste grössere Schweizer NPO, die bereits aktiv ist. Dazu Nadja von Burg von WWF Schweiz: «TikTok bietet uns die Möglichkeit, ein ganz junges Publikum abzuholen und für den Umweltschutz zu begeistern. Wir befinden uns hier aber lediglich in einer Testphase.»
Das Fazit des Rankings 2020 ist klar: Neue Plattformen werden die etablierten Kanäle so schnell nicht ersetzen. LinkedIn dürfte in den nächsten Jahren zu jenen Kanälen zu gehören, in den NPO stärker investieren, um Berufsleute in mittleren bis höheren Kaderpositionen anzusprechen und Partnerschaften zu akquirieren.
consign bedankt sich bei PR-Beraterin Marie-Christine Schindler, Spezialistin für Online-Kommunikation, und Lukas Krebs, Verantwortlicher Newsroom und Social Media bei der Stiftung Pro Juventute, für wertvolle Hinweise und kritische Begleitung dieses Blogs.
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