Es war Ende September 2012, als der Ständerat das nationale Gesundheitsförderungsgesetz in der Schublade versenkte. Vorab bürgerliche Parlamentarier setzten damit ein Zeichen gegen behördlichen Aktivismus in der Gesundheitsvorsorge – und gegen weitere Vorschriften für gesunde Lebensweise und staatliche Bevormundung. Das Scheitern des Präventionsgesetzes führte zu einem Umdenken beim Bundesamt für Gesundheit (BAG): Bundesrat Alain Berset setzt neu auf eine Nationale Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten (NCD-Strategie 2017 - 2024), in die alle Akteure der Public-Health-Szene eingebunden sind.
Das Kürzel NCD steht für «Non-communicable diseases», also für nichtübertragbare Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Probleme oder Diabetes. Der zugehörige Massnahmenplan steht auf drei Säulen:
- Bevölkerungsbezogene Gesundheitsförderung (Public Health)
- Prävention in der Gesundheitsversorgung
- Prävention in Wirtschaft und Arbeitswelt
Grosse Hoffnungen ruhen auf dem Massnahmenbereich «Prävention in der Gesundheitsversorgung», ein für die Schweiz neues Thema mit grossem Potenzial: Eine vom BAG finanzierte Studie zeigt, dass der Ansatz «From cure to care» entscheidend dazu beitragen kann, die Qualität der Behandlung und das Patientenwohl zu verbessern. Voraussetzung ist ein effektives Gesundheitscoaching durch die Versorger (Ärzte, Spitäler, Pflege), um die starke Zunahme der chronischen Erkrankungen und die Kostenfolgen für das Gesundheitssystem zu begrenzen.
Die operative Umsetzung des BAG-Massnahmenplans erfolgt ab 1. Januar 2018. Finanziert wird er durch erhöhte Krankenkassenbeiträge. Die NCD-Strategie wird von Bund, Kantonen und Gesundheitsförderung Schweiz gemeinsam entwickelt – wichtige Stakeholder wie Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachleute, Spitäler, Spitex, Gesundheitsnetzwerke, Apotheken, Krankenkassen werden aktiv in das Projekt einbezogen: Das sorgt für eine breite Abstützung und Akzeptanz.
Verbesserte Lebensqualität fordert uns heraus
Eine verstärkte Prävention in der Gesundheitsversorgung ist ein Gebot der Stunde: Die Menschen erreichen heute ein höheres Lebensalter – dank medizinischen Innovationen, verbesserter Hygiene, Ernährung und Bildung. Dieser Fortschritt hat eine Kehrseite: die Zunahme nichtübertragbarer Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen. Diese stellen unser Gesundheitssystem vor grosse Herausforderungen, weil sie aufwändige, pflegeintensive und kostspielige Behandlungen erfordern: Gemäss BAG verursachen sie 80% der direkten Gesundheitskosten, was einem jährlichen Betrag von über 50 Milliarden Franken entspricht.
Die NCD-Strategie 2017 – 2024 möchte allen Menschen die Chance geben, länger gesund zu bleiben, unabhängig von ihrem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Status.
Ob sich diese Vision erfüllt, hängt stark von der Eigenverantwortung jedes Einzelnen ab, Verantwortung für seine Gesundheit und unsere Umwelt zu übernehmen. Manchmal kann es aber hilfreich sein, Coaches an seiner Seite zu haben, die beraten und unterstützen können – am besten ohne moralischen Zeigefinger: Geteiltes Leid und geteilte Freude wirken nachhaltiger.
«Sonnenblume» setzt Massstäbe
Im Kanton Tessin läuft seit 2016 das Projekt «Girasole» («Sonnenblume»), ein gemeinsames Projekt des BAG, der Tessiner Gesundheitsdirektion und des Programms «Gesundheitscoaching KHM» und «Paprica». «Girasole» will die Tessiner Bevölkerung durch Motivation und Beratung in Arztpraxen zu mehr Bewegung anregen. Zusammen mit Patientinnen und Patienten soll ein Gesundheitspfad erstellt werden, der Bewegungsangebote der Gemeinden nutzt. Das Projekt will die Eigenverantwortung der Patienten ausserhalb der Hausarztpraxis stärken. Die Tessiner Hausärztinnen und –ärzte werden in speziellen Trainingskursen für diese Aufgabe geschult. «Girasole» wird begleitet von einer kantonalen Informations- und Aufklärungskampagne. Hintergrund des Projekts bildet die Tatsache, dass sich Tessinerinnen und Tessiner schweizweit am wenigsten bewegen. Übergeordnetes Ziel von «Girasole» ist es, nichtübertragbare Krankheiten zu vermindern, die auf Bewegungsmangel zurückzuführen sind. Das Projekt wird vom BAG begleitet und evaluiert. Sollte die Auswertung zeigen, dass das Projekt erfolgreich ist, könnte es als Modell für weitere kantonale und nationale Projekte dienen.
Kommunikative Herausforderungen
Kommunikation im Gesundheitsbereich muss darauf achten, sachlich und ohne moralischen Zeigefinger über die Risiken von Übergewicht, mangelnder Bewegung oder Alkohol- und Tabakkonsum aufzuklären. Sie muss aber auch die Chancen und Vorteile eines Lebensstils aufzeigen, der auf gesunde Ernährung, Fitness und einen vernünftigen Umgang mit Suchtgefahren setzt.
Erfolgreiche Kommunikation für das Thema «Gesundheitscoaching» setzt auf die Grundprinzipien der Public Relations: Aktiv gestalteter Dialog mit Stakeholdern und Zielgruppen, Sensibilisierung von Medien und Öffentlichkeit, Aufzeigen der Chancen eines gesunden Lebensstils.
Wichtig sind
- Eine Kernbotschaft, welche die Chancen eines gesunden Lebens betont
- Glaubwürdige Botschafterinnen und Botschafter, welche die Botschaft überzeugend nach aussen vermitteln
- Einbezug aller wichtigen Stakeholder für eine koordinierte Umsetzung der Massnahmen
- Innovative Projekte mit klarer Identität, die von den Menschen als «Leuchttürme» wahrgenommen werden
- Evaluation und Wirkungsnachweis der Projekte – laufende Kommunikation der Erfolge
- Aufzeigen des Nutzens für die Bevölkerung
- Aufzeigen des Nutzens für das Gesundheitswesen
Weiterführende Links:
Website des BAG zur nationalen NCD-Strategie
Website der Stiftung «Gesundheitsförderung Schweiz»
Website des «Kollegiums für Hausarztmedizin»
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