In einer Stadt oder Gemeinde sollen Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden, welche Prioritäten ihr Gemeinwesen setzen soll, um eine Smart City zu werden. Der Transformationsprozess wird partizipativ gestaltet. Ein spannendes Instrument, um diesen Prozess zu steuern, ist der Smart-Community-Dialog: Darin nehmen die Befragten die fiktive Position in einer Smart City der Zukunft ein, um mögliche Massnahmen zu bewerten und ihre persönliche Zukunftsvorstellung einzubringen. consign hat diesen Dialog für die Stadt Wil entwickelt und (St. Gallen) erfolgreich moderiert.
Der Smart-Community-Dialog ist ein konsultatives Format, das alle Menschen – unabhängig von Bildung, Alter oder Beruf – in den Mitwirkungsprozess einbezieht. Das Ziel ist, in persönlichen Gesprächen herauszufinden, welche kommunalen Bereiche für den Smart-City-Transformationsprozess einer Stadt oder Gemeinde besonders wichtig sind. consign hat so für die Stadt Wil (SG) die Prioritätensetzung der Bevölkerung beim Einstieg in den Smart-City-Transformationsprozess erfragt.
Das Smart-City-Wheel als fachliches Fundament
Eine Smart City ist eine Stadt, die ökologische Ziele wie Ressourceneffizienz und Dekarbonisierung umsetzt und eine bestmögliche Lebensqualität für alle anstrebt. Dieser langfristige Entwicklungspfad wird durch umfassende Innovationen erreicht.
Dazu Susanne Hartmann, Stadtpräsidentin von Wil: «Die gute Lebensqualität in unserer Stadt ist die oberste Maxime meines politischen Handelns. Wir haben daher im Stadtrat entschieden, uns mit einem ganzheitlichen Ansatz auf den Smart-City-Transformationsprozess einzulassen. Smart City soll sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren.»
Eine anschauliche und fachlich anerkannte Übersicht zu Smart-City-Themen ist das Smart-City-Wheel von Boyd Cohen, der die Merkmale einer Smart City in sechs Dimensionen ordnet: Smart Mobility, Smart People, Smart Economy, Smart Environment, Smart Government und Smart Living. Diese Dimensionen umfassen jeweils drei Arbeitsbereiche wie: Bereitstellung technischer Infrastruktur, Open Government oder moderne Bildungsangebote.
In einem Smart-Community-Dialog mit der Bevölkerung erhob consign im Auftrag der Stadt Wil Erwartungen und Anregungen der Bürgerinnen und Bürger – dies auf der Grundlage des Smart-City-Wheels mit seinen Dimensionen und Arbeitsbereichen.
Der Perspektivenwechsel ins Backcasting
Anstatt die Zukunft aus der Gegenwart zu betrachten, blickten die Befragten aus der Zukunft in die Gegenwart (Backcasting). Den befragten Personen wurde ein Kurzfilm zu relevanten Zukunftsthemen gezeigt. Die Annahme: Im Jahr 2050 ist die Smart City Wil als nachhaltige Stadt mit hoher Lebensqualität und umfassenden Innovationen bereits verwirklicht. Die teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger wurden danach einzeln befragt, wie das gelingen konnte und welche Faktoren dazu beigetragen hatten. Anhand des Smart-City-Wheels gaben die Befragten an, welche Dimensionen für sie erste, zweite, dritte oder untergeordnete Priorität hat.
Die innovative Vorgehensweise in Wil wurde beim Bewerb kommune.digital im Rahmen der CEBIT 2018 mit einem zweiten Platz gewürdigt. Dazu Michael Hoppe, Initiator der kommune.digital: «Das Projekt Smart City Wil verfolgt einen emotionalen und spielerischen Zugang, um die Menschen für das Mitmach-Projekt Smart City zu gewinnen. Die Jury beeindruckte, dass die Bürgerinnen und Bürger in Wil die Akzente von Smart City Wil prägen können. Auf diese Art und Weise kann am besten gewährleistet werden, dass die kommunale Digitalisierung dem Wohle der Menschen dient».
Die Auswertung des Smart-Community-Dialogs zeigt ein klares Bild: Die Wilerinnen und Wiler zählen Smart Environment (nachhaltige Energie- und Umweltprozesse) und Smart Living (Umstellung der Lebensweise) zu den wichtigsten Dimensionen in der Entwicklung einer Smart City. An dritter und vierter Stelle folgen Smart Mobility (Umstellung des Verkehrs) und Smart People (Bildung, Kreativität und Innovation).
Prioritätensetzung der städtischen Führungskräfte
Parallel zur Erhebung der Bedürfnisse der Wiler Bevölkerung wurden in sogenannten Perspektivengesprächen mit den politischen Verantwortlichen und den Leitenden der städtischen Departemente nach Visionen, möglichen Zielen und Massnahmen gefragt. Dabei gaben die Führungskräfte der Stadt einer «inklusiven und partizipativen Gesellschaft» eine sehr hohe Priorität, ebenso dem Arbeitsbereich «Ressourcenschonung und erneuerbare Energie».
Um eine zuverlässige Ausgangsbasis für die Formulierung der Wiler Smart-City-Strategie zu erhalten, wurden schliesslich die Wünsche der Bevölkerung und der städtischen Führungskräfte auf einen Nenner gebracht und mit einer einheitlichen Gewichtung (Anzahl von Sternen) versehen. Die Zahl der Sterne pro Arbeitsbereich oder je Massnahme gibt an, in welchem Ausmass eine Massnahme bzw. ein Umsetzungsprojekt zur Verwirklichung der Wiler Smart-City-Vision beiträgt.
Die Gesamtbewertung aus Smart Community Dialog und Perspektivengesprächen ergibt ein klares Schwergewicht auf Massnahmen in den Bereichen Smart Environment (nachhaltige Energie- und Umweltprozesse) und Smart Living (Umstellung der Lebensweise), die jeweils zwei Goldsterne (sehr hohe Priorität) erhielten. Smart People und Smart Mobility, d.h. Zugang zu intermodalem Verkehr, Bevorzugung effizienter Transportmittel und Integration von IT in Verkehrsmittel und Infrastruktur, erreichten eine hohe Priorität. Bevölkerung und städtische Führungskräfte messen einer inklusiven und partizipativen Gesellschaft, modernen Bildungsangeboten und Offenheit gegenüber Kreativität einen fast ebenso hohen Stellenwert zu wie Smart Mobility.
Von der Strategie zu den Massnahmen
Der Smart-Community-Dialog liefert zu jedem der achtzehn Arbeitsbereiche und sechs Dimensionen des Smart City Wheels einen konkreten Wert, welcher der Prioritätensetzung der Bewohner vor Ort und der städtischen Führungskräfte entspricht.
Dies ermöglicht einen Einstieg in einen Smart-City-Transformationsprozess genau in den Bereichen, die den Bürgern bzw. ihrer Stadt am meisten Nutzen bringt.
Die in Wil erhobenen Werte lassen sich in einem weiteren Schritt auf Massnahmen zur Smart-City-Transformation übertragen. Man überlegt, welche Umsetzungsmassnahmen welchen Smart-City-Arbeitsbereichen entsprechen. Meist zahlen Umsetzungsmassnahmen auf mehrere Arbeitsbereiche ein. Daher bildeten die Projektverantwortlichen einen Durchschnitt über den «Sternenwert» aller Arbeitsbereiche, die sich einer Massnahme zuordnen lassen. Und erhielt so eine zuverlässige Angabe, in welchem Ausmass die jeweilige Massnahme zum Smart-City-Transformationsprozess die Stadt Wil beiträgt. Dazu gehören etwa die Entwicklung von smarten Arealen, Sharing-Angebote im Bereich e-Mobilität oder Angebote und technische Hilfen zum selbstbestimmten Wohnen im Alter (Active Assisted Living).
Das Beispiel Wil hat gezeigt, dass der Smart-Community-Dialog allen Bürgerinnen und Bürgern eine Mitwirkung ermöglicht. Das konsultative Format wurde von den befragten Personen als ansprechend und unterhaltsam erlebt. Die Prioritätensetzung der Wilerinnen und Wiler hinsichtlich der sechs Smart-City-Dimensionen ermöglichte einen wesentlichen Erkenntnisgewinn für die Weichenstellungen der Politik.
Auf Basis der gesetzten Prioritäten können nun konkrete Umsetzungsmassnahmen für die Smart City Wil an die Hand genommen werden.
Links
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